Am Montag, den 23. September 2019 veranstaltete der VMÖ Verband der Marktforschung Österreich im Wiener weXelerate eine Veranstaltung rund um das Thema Marktforschung in Wahlkampfzeiten, abseits von Sonntagsfrage & Co. Dabei widmete man sich speziell der Wirkung der SpitzenkandidatInnen auf Basis der Semiotik (Lehre der Zeichen) von Wahlplakaten, in Social Media und aus Sicht der WählerInnen.
In seiner Keynote erklärte Günther Ogris (Geschäftsführer SORA), zuerst warum Umfragen ein Wahlergebnis trotz ausgefeilter Methodik nicht immer genau prognostizieren können. Im Gegensatz dazu beruhen seine Hochrechnungen am Wahltag auf ausgezählten Stimmen. Für genaue Hochrechnungen bedarf es nicht nur Wissen über statistische Methoden, geographische Kenntnisse, sondern vor allem langjährige Erfahrungen, die das SORA-Team am Wahltag einbringt, um bereits gegen 18:00 das Wahlergebnis möglichst genau zu ermitteln. Auf dieses Expertenwissen greift nicht nur der ORF zurück: In zahlreichen CEE Staaten bis hin zur Ukraine werden Wahlen von SORA hochgerechnet.
Warum lachst du?
Im Anschluss führte die Semiotikerin Charlotte Hager (comrecon brand navigation) durch die versteckten Botschaften und semiotischen Stolpersteine der aktuellen Wahlkampagnen. Sie zeigte dabei auf, welche positiven, aber auch negativen Einflüsse die Bildsprache haben kann und stellte dafür auch Mimik und Gestik der SpitzenkandidatInnen in den Fokus und zeigte so manche Ungereimtheiten auf, die sonst bei einem „Bauchgefühl“ bliebe. Zum Beispiel, wenn die Bundesparteivorsitzende der SPÖ, Pamela Rendi-Wagner, bei ihrer Forderung, dass Wohnen wieder leistbar sein muss, lacht, wenn bei „einer, der auf unsere Werte schaut“, nicht Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), sondern ein Gasgartenbesucher im Fokus steht oder wenn auf einem Plakat mit der Botschaft „einer der unsere Sprache spricht“ Herbert Kickl (FPÖ) nur zu Polizisten spricht und darüber hinaus alle den Mund geschlossen halten.
Diese Motive sind nicht nur auf Wahlplakaten sondern auch stark auf Social Media präsent. Das hat einen guten Grund, wie uns Markus Zimmer, Geschäftsführer von BuzzValue, in seinem Panel erklärte: Speziell die sozialen Medien gewinnen im Wahlkampf mehr und mehr an Bedeutung.
SPÖ setzt am stärksten auf Social Media
Dabei nutzte vor allem Pamela Rendi-Wagner in den vergangenen Monaten Facebook & Co, um ihre Fans zu mobilisieren. Die Bundesparteivorsitzende der SPÖ kann so seit Anfang Juni insgesamt knapp 2 Mio. Reaktionen, Shares und Kommentare auf ihren Social Media-Kanälen generieren. Insgesamt investierte die Bundesparteivorsitzende der SPÖ dafür bereits € 256.600 für Facebook-Werbung. Sebastian Kurz (ÖVP) war im Vergleich weniger aktiv, erreicht dank seiner großen Fanbase jedoch trotzdem 1,3 Mio. Fan-Interaktionen. „Aber auch die anderen Parteivorsitzenden haben speziell in den letzten Wochen der Wahl ihre Social Media-Budgets massiv erhöht“, ergänzt Zimmer. Vor allem Hofer (€ 115.700) als auch Sebastian Kurz (€ 101.400) haben die Werbeausgaben auf Facebook deutlich gesteigert. Inhaltlich legen die SpitzenkandidatInnen ihre Schwerpunkte auf den Wahlkampf selbst. „Besonders auffällig ist, dass viele der SpitzenkandidatInnen den inhaltlichen Schwerpunkt nicht auf konkrete Themen wie Umwelt oder Migration legen, sondern vielmehr den Wahlkampf sowie den politischen Wettbewerber in den Vordergrund rücken“, betont der BuzzValue-Experte.
Nach zwei eher analytischen Vorträgen widmete sich Christina Matzka, Triple M, der Wirkung der SpitzenkandidatInnen im laufenden Nationalratswahlkampf aus Sicht der Bevölkerung. In einer Online-Studie mit 500 Befragten, repräsentativ für österreichischen Wahlberechtigten, wurden vermittelte Charakterzüge und Eigenschaften der PolitikerInnen erhoben.
Zwistigkeiten dominieren auch Personenwahrnehmung
Allen KandidatInnen wird Gewissenhaftigkeit und Fleiß bei der (politischen) Tätigkeit zugesprochen, Kurz (ÖVP) und Meinl-Reisinger (NEOS) in etwas höherem Ausmaß. Ebenso punkten die PolitikerInnen – mit Ausnahme von Pamela Rendi-Wagner – mit „emotionaler Stabilität“. Durchgehend wenig abgenommen wird den Personen „Offenheit“ im Sinne von Einfallsreichtum und Interessensvielfalt. „Extrovertiert“ haben sich vor allem Beate Meinl-Reisinger, aber auch Werner Kogler präsentiert, Peter Pilz folgt knapp, die anderen deutlich hinter diesen beiden. „Verträglichkeit“ („kooperativ, freundlich, nicht kritisierend“) scheint keine der Kernkompetenzen der PolitikerInnen zu sein, hier werden alle eher negativ bewertet, am stärksten der streitlustige Peter Pilz, dahinter Pamela Rendi-Wagner.
Werner Kogler mit bestem „Politikerprofil“
Bei den für eine/n PolitikerIn (eigentlich) unabdingbaren Eigenschaften und Werten (nicht korrupt, ehrlich, kompetent, zuverlässig, arbeitet für das Wohl des Landes) gewinnt durchwegs Werner Kogler – derzeit nicht im Parlament vertreten und ohne offizielle politische Funktion. Dahinter Beate Meinl-Reisinger. Sebastian Kurz punktet mit „kompetent“, „zuverlässig“ und „Wohl des Landes“ – liegt jedoch bei „nicht korrupt“ nur auf Rang 5 vor Norbert Hofer. Werner Kogler und Beate Meinl-Reisinger als Oppositions- bzw. „nicht Nationalrats-Politiker“ vermitteln ein insgesamt klar besseres Bild als ihre Gegenüber der Regierungsbank, Pamela Rendi-Wagner wird noch kritischer gesehen.
So entstand im Laufe des Abends ein Bild der einzelnen Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen, das durchaus Überraschungen, und viel Gesprächsstoff bot.
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